Kundgebung „Nicht mit uns“ am Apothekerbrunnen

Am Mittwochabend, dem 28. September 2022 fand die Kundgebung “Nicht mit uns” am Ilmenauer Apothekerbrunnen statt.


Für SPD Ilmenau hat Vorstandsmitglied und der Vorsitzender der Jusos Ilm-Kreis gesprochen.
Seine Rede im Wortlaut:


“Wir frieren nicht für Profite!
Sie alle frieren aber jetzt gerade, um uns allen hier zuzuhören, das ehrt uns. Mein Name ist Julian Wüster, ich bin Vorsitzender der Jusos Ilm-Kreis und Vorstandsmitglied der SPD Ilmenau.Ich teile mit Ihnen heute zunächst einmal das Gefühl derVerunsicherung. Wir stehen heute vor so großenHerausforderungen, dass wir gar nicht wissen, wie wirdamit umgehen sollen. So großen und komplexen, ja wirklich auch existentielle Krisen sehen wir uns gegenüber. Und das Schlimmste daran ist: Wir alle hier für uns, können gar nicht bemessen, wie wir da wieder rauskommen sollen. Und wann die Krisen eigentlich enden. Die Lebensmittelpreise steigen, Strom- und Gaspreise explodieren, die Klimakrise ist nicht einfach weg, wir hören von Menschen, die überhaupt keine Rücklagen mehr haben und jetzt schon nicht mehr die steigenden Preise stemmen können, wir hören auch Unternehmen, deren Bestand bei den erwarteten Energiepreisen gefährdet ist. Und der Winter kommt erst noch.
Ich kann verstehen, wenn man in dieser Verunsicherung versucht ist, den einfachen Lösungen Glauben zu schenken. Wenn man so einer bestimmten Partei und Leuten, die montags genau hier lang ziehen zuhört, ist es ja ganz einfach. Wir müssten nur alle Sanktionen fallen lassen, Nord Stream 2 öffnen, das Gas würde fließen und alle Probleme wären gelöst. Es ist so verlockend, dann kann man verkennen, wie viele Ursachen diese Krisen eigentlich haben und weiß genau, was zu tun sei. Ich bin übrigens gespannt, welche Lösung jetzt präsentiert wird, wo die Leitungen offenbar sabotiert und wohl auch zerstört wurden. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Aber warten wir mal kommenden Montag ab. Da wird sich jetzt auch ein bunter Strauß an Verschwörungsmythen entwickeln.


Aber nun erst mal wieder zurück zu uns: Wir alle sind davon betroffen, das Schlimme ist nur, keiner von uns weiß schon genau, wie schlimm es für einen persönlich wird. Stellen wir uns mal vor, wir hätten jetzt eine Zahl vor uns: Von heute an bis sagen wir, Mai 2023 wirst du folgendes im Monat mehr bezahlen müssen, soundso viel für Lebensmittel, soundso viel für Energie. Dann wäre diese Zahl erst mal sicherlich erschreckend, aber damit könnten wir arbeiten, damit kann man auch die Maßnahmen der Entlastungspakete gegenrechnen. Denn es ist nicht wahr, dass nichts getan wird. Wer das behauptet, lügt und spielt mit der Angst und Verunsicherung der Menschen.

Es passiert gerade enorm viel in kurzer Zeit, zum Beispiel:
– Energiepreispauschale, auch mit Nachbesserung für Seniorinnen und Senioren- Strompreisbremse- Strom- und Gassperren verhindern- Bürgergeld ab 01. Januar, man kann immer sagen, zu wenig, aber es gibt eine Erhöhung- Mindestlohnerhöhung- Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger und Studierende- Entlastungen für energieintensive Unternehmen, z. B die hiesige Glasindustrie


Das Land Thüringen legt übrigens dieser Tage zusätzlich einen Notfallfonds auf. Das Ding ist nur, wir wissen nicht, ob das reicht. Und im Zweifelsfall ist gefühlt immer alles zu spät und zu wenig und ein Flickenteppich und immer wurde jemand nicht bedacht. Aber stellen wir uns mal vor, das passierte alles nicht. Und ich muss hier mal einen Luftballon platzen lassen. Wir kommen nicht ungeschoren davon. Wir können nicht vor allem bewahrt werden. Aber es kann abgemildert werden und insbesondere müssen diejenigen, die ohnehin bisher schon so gekämpft haben, die keine Rücklagen haben, die müssen besonders geschützt werden. Und dafür müssen alle ihren Teil beitragen. Wir müssen die Lasten fair verteilen. Stärkere Schultern können mehr tragen. Es wäre im Übrigen ratsam, unsere Gesellschaft auch zukünftig wieder mehr auf diesen Leitsatz zu verpflichten, wir sind nämlich offensichtlich aus der Balance geraten, besonders, wenn man sich die Vermögen anschaut. Das Geld für diese ganzen Maßnahmen muss ja irgendwoher kommen, klar. Und da fiele mir schon was ein: Eine ordentliche Vermögens- und Erbschaftssteuer zum Beispiel. Und verdammt noch mal nicht mehr zulassen, dass Konzerne „too big to fail“ sind. Wir machen immer weiter mit Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren, siehe Uniper. Wenn ein Konzern „too big to fail“ ist, gehört er in staatliche Hand. Dann hat die Allgemeinheit in guten Zeiten zumindest was davon. Das ist die lange Sicht. Und auf kurze Sicht liegt ein Teil der Antwort doch auf der Hand: Wir müssen die Profiteure des Krieges und der Preissteigerungen und die Spekulanten dazu zwingen, sich zu beteiligen. Es ist mir auch völlig egal, wie wir das nennen: Übergewinne, Zufallsgewinne, wir sollten vielmehr für so manchen das Wort „Kriegsgewinnler“ wiederbeleben. Ist mir auch egal, ob das Gaskonzerne, Betreiber von Windkraftanlagen oder Lebensmittelspekulanten sind. Dafür braucht es nur den politischen Willen. Wenn mir Christian Lindner erklärt, es gebe keine Übergewinne, nur Gewinne, dann komme ich mir einfach nur verarscht vor. Ich will keinen Oberlehrer, der sich hinter technischen Details versteckt, und vorgibt, nicht zu verstehen, was eigentlich gemeint ist, ich will ein Finanzminister, der mir echte und ehrliche Lösungen präsentiert. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt.


Das war der wütende Teil meiner Rede. Wer mich kennt, weiß, dass ich damit aber nicht enden möchte, deswegen noch Folgendes: Was können wir persönlich hier vor Ort tun, um dieser gefühlten Ohnmacht zu entkommen?


Ich habe hierzu abschließend sechs Punkte gesammelt, Ihnen fallen bestimmt auch noch welche ein:


1. Wenn Sie es noch nicht sind, werden Sie Gewerkschaftsmitglied. Egal was kommt, ich versichere Ihnen, Sie sind besser dran in Gemeinschaft als alleine.


2. Rechnen Sie mal grob durch, was Sie in den nächsten Monaten an Mehrausgaben erwartet. Wenden Sie sich an Ihren Vermieter, an Ihren Stromversorger. Egal, mit welcher Unsicherheit so ein Überschlag behaftet ist, es ist besser, erst mal eine Zahl vor sich zu haben als die schlimmsten Auswüchse aus den Nachrichten alle auf sich selbst zu beziehen und in dieser diffusen Angst, wie teuer alles wohl noch werden könnte, zu leben. Das habe ich selber noch nicht gemacht, jetzt habe ich es öffentlich gesagt, also werde ich das noch diese Woche auch noch tun.


3. Gehen Sie nicht den Populisten auf den Leim! Seien Sie vorsichtig, wenn Ihnen die einfachste aller Lösungen für alles verkauft werden soll. Widersprechen Sie, wenn jemand in Ihrem Umfeld so etwas nachplappert.


4. Klopfen wir unserer Landes- und Bunderegierung auf die Finger, überprüfen wir genau, welche Maßnahmen wem nutzen, seien wir laut, verlangen wir echte Lösungen, die die Auswirkungen abmildern und die den Richtigen hilft, das hilft, die Gasumlage wackelt deswegen.


5. Vergessen wir nicht, wer Schutz und Unterstützung am meisten nötig hat, sorgen wir dafür, dass wir immer auch für unseren Nachbarn, dem es schlechter geht als uns, mitsprechen.


6. Wir dürfen uns nicht der Angst hingeben. Bleiben wir innerlich ruhig, aber äußerlich laut und fordern wir, dass wirklich ALLE und dabei besonders die Starken und die Kriegsgewinnler dazu beitragen, diese Krise zu bewältigen.
Am Ende kann die Antwort nur lauten: Krisen können wir nur solidarisch überwinden!”