„Kein Kindergartengezanke im Gemeinderat“

Der freie Journalist Klaus-Ulrich Hubert hat mir einige Fragen zu meinen ersten (fast) zwei Jahren im Elgersburger Gemeinderat gestellt. Darüberhinaus habe ich auch meine Einschätzung zur aktuellen Gemeinderatsarbeit während der Corona-Pandemie und meine Umsetzungswünsche in nächster Zeit gegeben, aber lest selbst.

Herr Reichel-Schindler, was war Ihr allererster Eindruck von der Ratsarbeit und welches Thema/Vorlage Ihr erster Abstimmungsbedarf?

in meiner allerersten sitzung hat sich der gemeinderat konstituiert. neben mir waren noch fünf weitere „neulinge“ unter den insgesamt zwölf gemeinderatsmitgliedern. es war für mich ein besonderer moment, weil es zum einen eine große ehre ist als gewähltes mitglied an der entwicklung von elgersburg aktiv mitzuentscheiden und zum anderen hatte ich großen respekt vor meinen bevorstehenden aufgaben und pflichten als gemeinderat. ich wusste damals noch nicht so richtig, was mich alles erwartet und wie die gemeinderatsarbeit im detail abläuft. in der konstitution haben wir naturgemäß alle formalien, wie die ausschussbesetzung und Ähnliches behandelt und beschlossen. der bürgermeister augner hat seine ansprache an den gemeinderat gehalten. mein erstes richtiges thema, welches mich speziell als gemeinderat und als mitglied im zuständigen ausschuss beschäftigte, war die erweiterung des kindergartens in form einer außenstelle in der alten schule.

Wie werden in Corona-Zeiten die Beratungen des Ratsgremiums realisiert?

Leider können wir Beschlüsse nur in physisch stattfindenden Sitzungen beschließen und nicht in online-Sitzungen. Das gibt leider die derzeitige Thüringer Kommunalordnung nicht her. Das erschwert die Arbeit des Gemeinderats, vor allem bei dringenden Themen, wo eine zeitnahe Entscheidung getroffen werden muss. Es schwer zu vermitteln, warum der Gemeinderat in Zeiten der Lockdown-Einschränkungen zusammenkommen soll und sich Familien und Freunde nur sehr beschränkt sehen können, so meine Auffassung. Daher würde ich mir wünschen, dass zumindest die Ausschüsse online tagen und rechtsichere Beschlüsse fassen können. Da muss die Landesregierung und der Thüringer Landtag endlich liefern.

Wie kam es zum Entschluss, kommunalpolitisch aktiv zu werden, auch schon vor der Gemeinderatsmitarbeit? Mussten Sie zur „Jagd“ getragen werden oder brannte Ihnen etwas so unter den Nägeln, dass Sie sagten: „Für dieses Anliegen will ich aktiv mittun!“?

Durch meine ehrenamtliche Arbeit als Schülersprecher und Vorsitzender der Thüringer Landesschülervertretung hat sich mein Interesse an der politischen Teilhabe entwickelt. Nach meinem Auslandsjahr nach dem Abi hatte ich mich bewusst entschieden gehabt, mich mehr kommunalpolitisch zu engagieren. Während meiner Arbeit in der Landesschülervertretungwar ich mehr auf der Landesebene unterwegs. 2017 wurde ich zum Kreisvorsitzenden der Jusos Ilm-Kreis gewählt. Daraufhin hatte ich mein Augenmerk auf die Jugendpolitik und Beteiligungsformen von jungen Menschen in politischen Prozessen vor Ort gelegt. Erfolgreich konnte ich mit der Hilfe von der Landrätin Enders den Kinder- und Jugendbeirat auf Landkreisebene etablieren. Das ist bisher einzigartig in Thüringen, dass junge Menschen an der Arbeit des Kreistagesaktiv beteiligt werden. Ja, auch ohne ein Mandat kann einiges erreicht werden, aber mit einem kommunalpolitischen Mandat geht mehr Einfluss auf weitreichende Entscheidung einher. Ich kämpfe für einen lebenswerten ländlichen Raum für jung und alt. Deshalb war es für mich nur folgerichtig, dass ich zur Kommunalwahl antrete und mich für ein Mandat im Kreistag und Gemeinderat bewerbe. Leider habe ich den Einzug in den Kreistag, auch wenn nur knapp, verpasst, umsomehr habe ich mich für den Einzug in den Elgersburger Gemeinderat gefreut.

Welche drei wichtigsten Belange gehören Ihrer Meinung nach auf Elgersburgs gemeindliche Prioritätenliste?

– Belastbares und umsetzbares Tourismuskonzept (bereits in Erarbeitung)- Ausweitung des Betreuungsangebots – Platzkapazität des Kindergartens- Generationsübergreifender Begegnungsort: Wir haben den Jugendclub und Seniorentreff, aber diese sind sowohl räumlich als auch gedanklich voneinander völlig abgekoppelt. Uns muss es gelingen, dass die Generationen miteinander in den Kontakt treten und sich austauschen, so dass ein Verständnis und Akzeptanz der unterschiedlichen Belangen und Interessen erreicht wird.

Gibt es im Elgersburger Gemeinderat Fraktionen oder eher „friedliche Koexistenz“ im Interesse der Sache oder auch ideologisches „Haut-euch!“ wie im Kreistag?

Ich würde von lieber von einer konstruktiven und sachlichen Zusammenarbeit sprechen wollen. Natürlich spielen in der Kommunalpolitik immer wieder persönliche Differenzen eine Rolle, aber ein Parteibuch, sofern dieses vorhanden ist, rückt in den Hintergrund. Um es ehrlich zu sagen, gibt es kein „Kindergarten Gezanke“ im Gemeinderat wie es oft das Außenbild des Kreistages suggeriert.

Wie schätzen Sie die Entwicklung des Miteinander der oft zitierten „gallischen Dörfer“ in der VG heute ein, die gegenüber Ilmenau und dem Rest des Geratals mit den Kommunalreformen ihre Autonomie behaupten. VerstehenSie gelegentliche Vorwürfe von „Kleinstaaterei“?

Aus der gegenwärtigen Sicht ist die derzeitige Verwaltungsrechtsform die Richtige für Elgersburg. Während der Gebietsreform ließen sich viele Akteure im Geratal, so meine Wahrnehmung, zu sehr von persönlichen Befindlichkeiten leiten und beeinträchtigen. Das war ein entscheidender Grund, weshalb die Gebietslage so ist wie sie derzeit ist. Aus meiner Wahrnehmung stellt sich jetzt nicht die Frage, ob sich Elgersburg von einer anderen Gebietskörperschaft eingemeinden lassen sollte oder nicht. Elgersburg hat seinen Platz in der VG Geratal/Plaue. Schließlich gibt es die Freiwilligkeit in der Gebietsreform und Elgersburg hat sich für die Eigenständigkeit in einer Verwaltungsgemeinschaft entschieden und das muss auch in einem demokratischen Föderalismus akzeptiert werden.

In welchem Ausschuss arbeiten Sie mit und was würden Sie mit einer überraschenden unerwarteten aufgetanen, nicht Rückzahlungs- sowie Eigenanteilspflichtigen halben Million Euro im Ortsbild und seinem Außenwirkungs – sprich touristischen – Charakter anschieben?

Ich darf als ordentliches Mitglied im Sozialausschuss sowie im Fremdenverkehr, Sport und Kulturausschuss mitarbeiten. In einem Szenario, welches Sie geschildert haben, würde ich die halbe Million Euro in folgendes investieren:
– Ladesäulen für eBikes am Bahnhof mit einem touristischen Infopoint in Zusammenhang mit einem kleinen Wochenend-Café im neusanierten Bahnhofsgebäude– Sanierungen der Gemeinde-Mietswohnungen bspw. in der Arnstädter Straße– Investition in unsere Zukunft: Kinder – d.h. Spielplätze, Ausstattung des Kindergartens etc.

Welches ist das zurzeit aktuteste und im Rat meist diskutierteste Kommunalthema (auch in Blickrichtung Corona-Lockdown)?

Der Haushalt für 2021 und wie das Vereins- und Dorfleben langfristig am Leben gehalten werden können.

Es ist kein Geheimnis, Elgersburg ist durch einen massiven Gewerbesteuerrückgang in eine finanzielle Schieflage geraten.Das hat auch die Gemeinderatsarbeit im Jahr 2020 maßgeblich beeinflusst. Nach einem belastbaren Haushaltsicherungskonzept sind wir auf Sichtweite zu einem dauerhaften ausgeglichenen Haushalt. Durch teils schmerzliche Einschnitte im Haushalt ist es uns gelungen den Weg aus dieser Schieflage zu ebenen.

Unsere engagierten Vereine sind die wichtigste Stütze unseres gemeinschaftlichen und attraktiven Dorflebens (Stichwort: lebenswerter ländlicher Raum). Durch die Corona-Pandemie konnten viele Veranstaltungen und Aktivitäten der Vereine nicht stattfinden. Für uns als Gemeinderat, das sage ich aus meiner Perspektive, ist es ein wichtiges Anliegen, dass wir die Vereine soweit unterstützen, dass sie auch nach der Pandemie in Lage sein werden ihr Vereinsleben so gestalten zu können wie vor Corona.